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Rechtspopulismus beim CSD Dresden – ein Nachschlag

Wir haben in unserer Stellungnahme zu problematischen Vorfällen im CSD Dresden e.V. ja schon CSD-Vorstand Matthias Eibisch erwähnt, der ohne schlechtes Gewissen einen vermeintlich lustigen Post eines AfD-Abgeordneten teilte, in welchem der rassistische Mob in Chemnitz verharmlost wird.

Nun müssen wir feststellen, dass der Sumpf noch weiter reicht. Diesmal geht es um Philipp “Phil” Grafe, der als Fotograf und Designer für den Verein Material für die CSD-Feierlichkeiten erstellt1.

Die Berichterstattung über den Salafisten Raschid K. gereicht ihm zum Anlass, über das “verrotte System” (gemeint ist der Rechtsstaat Deutschland) zu lästern und gegen “Gutmenschen” Stimmung zu machen – er bedient sich dabei klassischer Kampfbegriffe des Rechtspopulismus. Aufschlussreich ist auch, dass quasi nebenher noch die “historische Verantwortung Deutschlands” argumentativ in’s Spiel gebracht wird, allerdings nur, um sie im nächsten Atemzug zu leugnen. Continue reading

Stellungnahme zu den Berichten über sexuelle Übergriffe durch Ronald Zenker und das Vorgehen des CSD Dresden e.V.

Wie in vielen anderen Städten ist auch in Dresden der CSD ein relevanter Bestandteil der queeren Szene. Und wie überall wird auch in Dresden gerne über politische Positionen, thematische Schwerpunkte und die allgemeine Ausrichtung diskutiert und gestritten. Auf der einen Seite haben wir als feministische Gruppe Veranstaltungen gegen homofeindliche Kundgebungen unterstützt, an denen ebenso der CSD Dresden e.V. beteiligt war12. Auf der anderen Seite haben wir den CSD Dresden auch kritisiert, zum Beispiel als es um eine Preisverleihung an Helma Orosz ging3.

Das alles kann als normales Verhältnis zwischen eher bürgerlichen und linken-kritischen Akteur_innen gelten, mit den zu erwartenden Reibungspunkten. Allerdings mussten wir in der Vergangenheit immer wieder die Erfahrung machen, dass der CSD Dresden e.V. und in persona Ronald Zenker – vorsichtig ausgedrückt – keinen guten Umgang mit Änderungsvorschlägen, Kritik oder einfach nur anderen politischen Analysen und Ansätzen als den eigenen an den Tag legten.

Damit konnten wir als Gruppe durchaus umgehen, und auf gemeinsame Aktivitäten oder Versuche eines inhaltlichen Austauschs einfach verzichten. Mit den nun öffentlich gewordenen Berichten4 über das Verhalten von Ronald Zenker gegenüber queeren Geflüchteten ist allerdings eine klare Grenze überschritten worden. Wir erachten die Berichte für glaubhaft und solidarisieren uns mit den Betroffenen. Continue reading

Positionierung gegen Rechts seitens des CSD Dresden e.V. lässt weiter auf sich warten…

Ausdrückliches Statement des CSD Dresden zu rechten Bewegungen in den eigenen Reihen bleibt trotz Vorkommnissen auf der Demo 2018 aus…..

Zuletzt haben wir uns 2014 über den CSD in Dresden geäußert. Damals erhielt zu unserer großen Verwunderung die damalige Oberbügermeisterin Helma Orosz (CDU) den Toleranzpreis durch den Verein. Verwundert waren wir u.a., weil doch die CDU nicht gerade bekannt dafür ist, sich für die politischen Belange eines CSDs einzusetzen.

In diesem Jahr nimmt das politische Drama um den CSD Dresden weiter seinen Lauf…
Kurz nach der Demo vor ca. 10 Wochen wurden Vorwürfe laut, innerhalb der „Security Firma“, mit welcher der Verein seit Jahren kooperiert, seien “Personen in schwarzem T-Shirt mit dem Frakturschriftzug ‘Ostdeutschland’ auf dem Rücken aufgefallen. Sie hätten den Hitlergruß angedeutet und beiläufig geäußert, sie würden sich um die Antifa kümmern.”.
CSD Vereine in Leipzig, Berlin und Hamburg haben, z.T. nach eigenen Konfrontationen mit der AFD oder diese Wählenden, bereits zeitnah eigene Statements verfasst und sich klar von rechten Strömungen distanziert. Statt eben solcher Distanzierung lesen wir vom Organisator der Demo Ronald Zenker “Ein mögliches Naziproblem bei der Security werde ‘hochgekocht’” (ebd.), während das CSD Programmheft 2018 zuvor noch unter “(POLITISCHE) FORDERUNGEN” (sic!) verkündet, “…das Wegschauen in der Gesellschaft ist ein nicht hinnehmbarer Zustand. Mit Sorge sehen wir die zunehmende Gefahr einer gesellschaftlichen Rückentwicklung.” (S.6). Eine deutliche Positionierung gegen Rechts in Dresden lässt seitens des CSD Vereins vor Ort jedoch nach wie vor auf sich warten.

Wir sind, insbesondere im Kontext der bevorstehenden Landtagswahlen (mit der AfD haben bürgerlich-konservative bis hin zu extrem rechten Kräften einen parteiförmigen Ausdruck gefunden, der in Sachsen scheinbar ein besonders großes Potenzial hat) und in einer Zeit, in der rechtes Gedankengut sich immer offener in der Mitte der Gesellschaft zeigt, enttäuscht, wütend und schockiert über diese Entwicklungen.

Wir fordern, dass keine Personen in den Dresdner CSD eingebunden, gar von ihm unterstützt werden oder an der Demo teilnehmen, die rechtspopulistischen, neonazistischen oder völkisch-nationalistischen Parteien oder Organisationen angehören, einer entsprechenden Szene zuzuordnen oder bereits anderweitig durch rassistische, sexistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind.

Wir fordern eine klare Positionierung gegen Rechts und die Umsetzung aller notwendigen Konsequenzen daraus!
Wir wollen einen CSD, der nicht die CDU feiert, der nicht mit fragwürdigen Security-Personen kooperiert!
Wir wünschen uns einen CSD, der sich einsetzt für die wirkliche Gleichberechtigung vielfältiger Lebens- und Liebensweisen, der die Belange von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und inter Menschen sichtbar und hörbar macht, der Menschenrechte für Alle einfordert, der immer kritisch (auch mit sich) bleibt und emanzipatorische Utopien entwirft!

Emanzipatorischer Block auf der CSD Demo in Leipzig

Das Bündnis für einen emanzipatorischen Block beim CSD Leipzig will der Demo seine politische Sprengkraft zurückgeben. Wir unterstützen ihren Aufruf, den ihr weiter unten nachlesen könnt!

Neben vielen anderen Gruppen unterstützt auch die URA den Aufruf und hat einen Zugtreffpunkt für Dresden zur gemeinsamen Anreise bekannt gegeben: Link

Auf Facebook gibt es auch noch ein Kommentar von Johanna Maria, den wir sehr lesenswert finden.

 

Kämpfe verbinden!

“I wanna take you to a gay bar” – Electric Six

Wir wollen dem Christopher-Street-Day (CSD) seine politische Sprengkraft zurückgeben, die sich im Jahr 1969 erstmals bei den Stonewall-Unruhen anifestierte. Ausgang dieser Unruhen war eine polizeiliche Razzia im Stonewall Inn, einer Bar in der Christopher-Street in New York, die auch den innerhalb der Szene marginalisierten Queers einen Raum bot. So waren es vor allem obdachlose Jugendliche, Trans*idente, Schwarze Drag Queens und Butches, die am 28. Juni 1969 Opfer der staatlichen Repression wurden. Doch die kriminalisierten Menschen zerstreuten sich nicht. Sie blieben und initiierten einen ersten, fünf Tage andauernden militanten Widerstand gegen die rigide
Sexualmoral, die homo- und trans*feindliche Gewalt und die Willkür staatlicher Behörden. Das war der Beginn der gay-liberation-Bewegung in den USA. In Deutschland sollte es noch weitere zwei Jahre dauern, bis sich durch Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt“ die ersten Gruppen formierten. Aus denen entstanden die Rosa Radikalen als die Schwulenbewegung[1] der 1970er Jahre. Schwul war damals gleichbedeutend mit kriminell, abartig, krank und pervers. Doch statt sich diesen Zuschreibungen entgegenzustellen, wurden diese angeeignet. Man wollte dieser Gesellschaft unversöhnlich gegenübertreten und nicht nur gegen Diskriminierung kämpfen, sondern gegen die Strukturen, die diese hervorbrachten.

“We’ve got to show them we’re worse than queer” – Bikini Kill

Und auch wenn die Rosa Radikalen aus heutiger Sicht in Theorie und Praxis zu kritisieren sind, sehen wir doch die Notwendigkeit an die ursprüngliche Radikalität zu erinnern, die zwischen Volksfeststimmung und Parteienwahlkampf auf dem CSD zu verschwinden droht. Zwar stellen queere
Personen die heterosexuelle zweigeschlechtliche Ordnung schon durch ihre bloße Lebensweise infrage, was sich nicht zuletzt in den Zahlen von lesben-, schwulen- und trans*feindlichen Übergriffen
niederschlägt. Aber statt dadurch eine Kritik an dieser Gesellschaft zu entwickeln, scheint den meisten der Weg der Assimilation, der Angleichung an den bürgerlichen Mainstream, verheißungsvoller. War der Fetisch-Block wirklich einmal eine Kampfansage an die gesellschaftlichen Verhältnisse, so ist er heute zusammen mit den Tunten, Drags und Trans*menschen das Exotische, das zwar geduldet, von dem sich aber zugleich mit einem “Wir sind ja nicht alle so” abgegrenzt wird.

Aber deswegen wollen wir den CSD noch lange nicht aufgeben. Er bleibt Ausdruck eines Bewusstseins darüber, dass Straffreiheit und eine vergleichsweise große Liberalität noch lange nicht gleichbedeutend sind mit einer wirklichen Emanzipation. Dies und die unter den gegenwärtigen Verhältnissen immer noch progressive Raumnahme sind es, die den CSD für uns immer noch zu einer kritischen Veranstaltung machen. Uns soll es um mehr gehen, als um die Gleichstellung der so genannten Homo-Ehe. Wir wollen keine Toleranz, die am Ende nichts anderes bringt, als eine
Angleichung an den Status Quo. Es braucht eine soziale Bewegung, der es nicht mehr nur um die
gesellschaftliche Gleichberechtigung, sondern um die Freiheit einer grundsätzlich neuen Gesellschaft geht.

“Nothing’s about me or you honey, it’s all about the angst and the money.” – Ja, Panik

Die Forderung nach staatlicher Anerkennung von nicht-heteronormativen Geschlechterverhältnissen und -beziehungen sind legitime Kämpfe, in denen in den vergangenen Jahren auch in der BRD einiges erreicht werden konnte. So wurde im Jahr 2001 gleichgeschlechtlichen Paaren durch die Einführung der Lebenspartnerschaft erstmals auch ein rechtlicher Rahmen ermöglicht. Auch das im November 2013 in Kraft getretene Gesetz, wonach intersexuellen Babys nicht mehr sofort nach der Geburt ein Geschlecht zugewiesen wird, lässt sich als ein Erfolg von Kämpfen um selbstbestimmtes Leben werten. Es sind jedoch nur kleine Schritte: die heterosexuelle Ehe und die Lebenspartnerschaft sind in vielerlei Hinsicht nicht gleichgestellt und trotz der Freilassung des Geschlechts in den ersten Lebensjahren ist es rechtlich nach wie vor nicht möglich, eine andere gender-Identität als männlich* oder weiblich* zu wählen oder die Kategorie „Geschlecht“ gänzlich abzulehnen. Trotz dieser rechtlich-politischen Erfolge, zeichnet sich in diversen neu-rechten und klerikalen Protesten ein geschlechterpolitischer Rollback ab. Zum einen zeigen Gesetzesänderungen nicht zwang- läufig einen positiven Effekt im Alltag von LGBTTIQ*s (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Trans*idente, Intersexuelle und Queers).
LGBTTIQ*-Feindlichkeit ist in der Gesellschaft tief verankert und beeinträchtigt das Leben der Menschen auch an Orten abseits staatlicher Diskriminierung. Angst und Isolation, Beleidigungen und Gewalterfahrungen sind keine Ausnahmen, sondern alltäglich im Leben derjenigen Menschen, die nicht in das hegemoniale Bild der heterosexuellen Kleinfamilie passen.
Zum anderen ist gegenwärtig eine verstärkte Organisierung von Sexist*innen und LGBTTIQ*-
Feind*innen festzustellen. So demonstrierten am 21. Juni 2015 in Stuttgart 4.000 Menschen gegen
Schulaufklärung über Homo- und Transsexualität in Baden-Württemberg. Beim „Marsch für das Leben“ im Jahr 2014 in Berlin protestierten 5.000 Menschen gegen Abtreibungen und damit gegen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen über ihren Körper. In beiden Beispielen der christlich-fundamentalistischen Bewegungen marschierte die Europaabgeordnete der Partei Alternative für Deutschland (AfD) Beatrix von Storch in der ersten Reihe. Dabei steht der Erfolg der AfD exemplarisch dafür, dass erzielte Fortschritte stets umkämpft bleiben. Ein Grund sich nicht auf den Erfolgen auszuruhen. Denn in ökonomischen Krisensituationen können sich die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse derart umgestalten, dass für die allgegenwärtige “Toleranz” plötzlich kein Platz mehr ist. Das Nebeneinander verschiedener “Lebensentwürfe” kann ebenso schnell wieder
zugunsten traditioneller, reaktionärer Geschlechter- und Beziehungskonzepte verworfen werden.
Das globalisierte Kapital, welches die gegenwärtige Geschlechterpolitik der Exportnation Deutschland
bestimmt, ist auf flexible gesellschaftliche Strukturen im Leben der Menschen angewiesen und findet in “alternativen” Lebensstilen zu aller erst auch neue Verwertungsmöglichkeiten. Im Gegensatz dazu
generiert sich die Politik der AfD aus den Interessen der deutschen Familienunternehmen, die sich auf regionale Märkte konzentrieren. Eine verstärkte EU-Integration verschärft lediglich Konkurrenz der lokal agierenden Unternehmen.
Aus Entstehungskontext der AfD erklärt sich so auch deren reaktionäres Familienkonzept. Der Wunsch nach der patriarchalen Kleinfamilie wird in den Rollenbildern der AfD deutlich, die sich klar aus ihren Forderungen ergeben. Männer seien eben Männer und Frauen nun mal Frauen. Und eine Frau ist eben eine Mutter, die jegliche Haus- und Erziehungsarbeit leistet, wohingegen der Mann, also der Vater, das Geld nach Hause bringt. Diese Ideologien werden u.a. auch von der besserverdienenden Arbeiter*innenklasse aufgegriffen, die damit ihre Abstiegsängste in der ökonomischen Krise in reaktionärer Weise verarbeitet. Dadurch kann die AfD in Wahlen erfolgreich sein und auch ihren Einfluss auf politische Entscheidungen verstärken. Das Beispiel AfD zeigt, wie gefährdet gesellschaftliche Emanzipationsprozesse und ein selbstbestimmtes Leben, angesichts fortschreitender Krisenerscheinungen und deren politischer Verschärfung, sein können.
Kämpfe verbinden!

Deswegen ist es notwendig, nicht nur LGBTTIQ*-Diskriminierung zu bekämpfen. Am Beispiel der
Verschränkung zwischen Flucht und sexueller Diskriminierung wird deutlich, dass der Kampf um ein
selbstbestimmtes Leben, auch ein Kampf gegen Staat, Nation und Kapital sein muss. Denn während
deutsche Staatsbürger*innen ihren Passeigentümer teilweise als Paradies der sexuellen Freiheit feiern, werden die Mauern um die Europäische Union höher und tödlicher denn je. Menschen, die in ihren Herkunftsstaaten aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer non-konformen Geschlechteridentität verfolgt werden und diese Grenzen überwinden können, erhalten in Deutschland keinen Schutz. Denn Homosexualität und Transidentität sind allein keine ausreichenden Gründe, um politisches Asyl und damit Schutz vor Gefängnis oder Todesstrafe zu bekommen.

Deswegen kämpfen wir nicht nur für eine sexuelle Befreiung, sondern für eine befreite Gesellschaft!

Wir wollen lieben, wen und wie wir wollen! Wir wollen die bipolare Geschlechterordnungen abschaffen, nationale Grenzen einreißen und die kapitalistischen Verhältnisse überwinden! Wir kämpfen für ein grenzenlos solidarisches und selbstbestimmtes Leben!

1 Es ist vielleicht schwierig, hier nicht von einer Lesbenbewegung zu sprechen, aber das ist teilweise nicht ganz genau geklärt, auch gerade weil sich viele lesbische Frauen noch bis in die 80er hinein selbst als schwul bezeichnet haben. Auch in der Literatur wird der Begriff sehr unterschiedlich gebraucht.