Status Quo: Debatte – ein Jahr AfD als stärkste Oppositionskraft

Ein Debattenbeitrag von e*vibes – für eine empanzipatorische Praxis

Status Quo ist eine Debatten-Reihe von Alternative Dresden News über unterschiedliche Themen, in welcher linke, emanzipatorische sowie progressive Gruppen Beiträge und Analysen veröffentlichen. Wir haben im folgenden Text einige Fragen zur Lage in Sachsen nach einem Jahr AfD als stärkster Oppositionsfraktion im Landtag beantwortet.

Welche Probleme und Veränderungen mit der AfD als stärkste Oppositionskraft in Sachsen seht ihr?

In Sachsen sehen wir, dass der sowieso schon problematische gesellschaftliche Status Quo 2019 bereits im Vorfeld der Landtagswahlen verstärkt von rechts unter Beschuss genommen wurde. Mit den erschreckend hohen Ergebnissen für die AfD fast im ganzen Bundesland sind wir davon ausgegangen, dass insbesondere sogenannte Minderheiten noch stärker unter Druck geraten – einerseits durch staatliche Repression, andererseits durch den parlamentarischen Rückenwind für den virulenten Alltagssexismus und -rassismus.

So haben rechtsextreme Parteien unverhohlen vielfältigen Lebensentwürfen jenseits der heterosexuellen Norm den Kampf angesagt und die Werteunion in der CDU bietet sich fortwährend als Steigbügelhalter für die Umsetzung autoritärer und antifeministischer Hetze an. Programme zur sexuellen Aufklärung und Selbstbestimmung, aber auch zur sozialen Teilhabe, sind den Populist:innen der AfD ohnehin ein Dorn im Auge. Mit ständigen kleinen Anfragen zu diesen Themen wollen sie Informationen sammeln, um diese dann passend aufbereitet zu skandalisieren. Nebenbei schafft dies bei manchen Trägern staatlicher Förderprogramme ein Gefühl der Überwachung. Möglicherweise versprechen sich die rechten Parlamentarier auch einen Anpassungsdruck an ihre Normvorstellungen.So diffamiert die sächsische AfD bereits jetzt Beratungsstellen, die Schwangere nach den Regeln des Gesetzes ergebnisoffen und solidarisch beraten. Dazu kommen unvermindert andauernde Angriffe auch über die sozialen Medien auf die Interessenvertretungen von Minderheiten, sei es nun der Gerede e.V. oder der sächsische Flüchtlingsrat.

Wir stellen fest, dass diese Angriffe auf engagierte Menschen emotional und psychisch kaputt machen, wenn diese alleine und vereinzelt dagegen angehen müssen. Also: Vernetzen und organisieren wir uns, damit dies endlich ein Ende hat!

Welche Rezepte habt ihr im Umgang mit der AfD und was ist das beste Rezept die AfD zu bekämpfen? Welche waren wirksam und welche haben ihr Ziel verfehlt?

Die feministische Bewegung ist weltweit einer der wichtigsten Akteure gegen den rechten Backlash und reaktionäre Politik. Ob in Brasilien, USA, Rojava – die Widerstandskraft, und der Erfindungsreichtum feministischer Kämpfe kann nicht hoch genug geschätzt werden.

Das wichtigste ist, sich weder einschüchtern zu lassen, noch den Mut zu verlieren oder sich aus den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zurückzuziehen. Letzteres ist sowieso keine Option für alle, die individuell alltäglicher Diskriminierung ausgesetzt sind. Was dabei hilft, ist gegenseitiger Support in Politgruppen oder gemeinsamen Kampagnen, auch gegen staatliche Repression.

Und wir brauchen Vorbilder, die andere ermutigen, sich ebenfalls zu organisieren und etwas zu tun. Wobei das nicht zwangsläufig einzelne Personen sein müssen, auch niedrigschwellige Aktionen wie unser Patriarciao-Videodreh können inspirierend sein.

Und von den ganzen Auseinandersetzungen mit rechten Positionen dürfen wir uns nicht dumm machen lassen. Wir wollen weiter an feministische, linke Geschichte erinnern, eine umfassende Herrschaftskritik vermitteln, an unserer eigenen Gesellschaftsanalyse feilen und unsere Utopien formulieren.

Jenseits der direkten parlamentarischen Arbeit, welchen direkter Bezug auf euer Politikfeld hat die AfD und wie beeinflusst sie dieses? Welche Gefahren und Verschiebungen haben hier durch die AfD stattgefunden?

Generell ist Antifeminismus ein grundsätzliches Element in allen rechten Bewegungen. Er wirkt damit häufig als Bindemittel zwischen ansonsten ganz unterschiedlichen Akteur:innen. In ihren sexistischen Einstellungen treffen sich Attentäter, Identitäre, Burschenschaftler und Parteileute, und das international.

Konkret ist die AfD in Deutschland ein Resonanzraum und Radikalisierungsmotor für rechte Übergriffe, Gewalttaten und tödliche Anschläge. Von Heidenau über Halle bis Hanau hat die AfD mitgehasst und diese Taten ideologisch unterstützt.

Auf der medialen Ebene drückt sich dies durch Angriffe auf feministische Positionen aus. Insbesondere migrantische, linke Frauen, die sich öffentlich äußern, werden unter Beschuss genommen. Das reicht von Beleidigungen über koordinierte Shitstorms bis hin zu regelrechtem Stalking und den Morddrohungen des NSU 2.0.

Kurz gesagt: da die AfD und ihr Klientel keine eigenen Argumente hat, soll der Diskurs so vergiftet werden, dass alle kritischen, differenzierten Stimmen gegenüber der repetitiven Hetzparolen untergehen.

Eine Diskursverschiebung, die zumindest von der AfD tatkräftig vorangetrieben wurde, sehen wir aktuell über die Sommermonate 2020. Zunächst hatte Black Lives Matter als Katalysator auch in Deutschland eine breite Debatte über Polizeigewalt angeregt. Die Morddrohungen durch den NSU 2.0 wurden thematisiert, genau wie rassistische Kontrollen, Vergewaltigungen im Dienst und Todesopfer polizeilichen Handelns. Sogar die Forderungen nach einer Abschaffung der Polizei wurden plötzlich auch außerhalb linksradikaler Kreise ansatzweise diskutiert. Und Horst Seehofer geriet wegen seiner Weigerung, endlich eine Studie zu Polizeigewalt zuzulassen, immer stärker unter Druck.

Als Vorwand für den rechten diskursiven Befreiungsschlag diente dann Hengameh Yaghoobifarahs polizeikritische Satire in der taz. Von allen Seiten wurde sich darauf gestürzt, es folgten Solidaritätserklärungen mit der Polizei von SPD bis nach ganz rechts.

Als nächster Schritt wurde die herbeiphantasierte Bedrohung eines linken Mobs gegen die Autorin Lisa Lasselsberger als Angriff auf die Redefreiheit inszeniert. Das Ergebnis? Priviligierte Personen beschweren sich über eine angebliche „Cancel Culture“ . Also darüber, dass sie wegen begründeter Kritik vielleicht einen Auftritt verlieren, während marginalisierte Menschen, deren Leben immer wieder bedroht wird, kein Gehör mehr finden.

Allerdings: Solange, wie es beharrliche Proteste und hartnäckige Aktivist:innen gibt,  geben wir die Hoffnung nicht auf, dass dies nur ein vorübergehender Pendelschwung war. Es ist an der Zeit, dass die Forderungen von BLM und co. wieder stärker durchdringen und reale Veränderungen hervorbringen.

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