Interview mit addn.me über #unteilbar und Perspektiven zur Landtagswahl

Letzte Woche haben wir von den Alternativen Dresden News ein paar spannende Fragen gestellt bekommen. Ein Teil der Antworten kommen in dem Artikel über verschiedene wichtige Blöcke bei der #unteilbar-Demonstration am 24.08.2019 zur Sprache.

Da dort nicht genug Platz für das gesamte Gespräch war, wir aber die aufgeworfenen Gedanken lange diskutiert haben und wichtig finden, möchten wir hier noch die ausführliche Version dokumentieren und freuen uns über eure Gedanken dazu.

1. Wer seid ihr? Welche Politik betreibt ihr? (wenn gerade keine Unteilbardemonstration zu organisieren ist)
Wir sind e*vibes – für eine emanzipatorische Praxis, eine seit 2011 existierende feministische, kapitalismuskritische und antiautoritäre Gruppe aus Dresden.
In unserer politischen Arbeit bemühen wir uns um die Verbindung von Theorie und Praxis. Wir bilden wir uns gegenseitig weiter, entwickeln Vorträge und Workshops, organisieren Veranstaltungen oder schreiben Analysen und Kommentare zu aktuellen feministischen Debatten.
Neben der Bildungsarbeit sind wir auch aktivistisch unterwegs – wir machen Aktionen, organisieren Demos oder beteiligen uns an Kampagnen.
Und gerade in Sachsen muss eine feministische Praxis auch klar antifaschistisch aufgestellt sein, da lassen wir uns von keiner Extremismuskeule einschüchtern.
Durch unsere langjährige Präsenz sind uns auch einige strukturelle Aufgaben zugefallen, so dass wir in verschiedenen Bündnissen aktiv sind und lokal, überregional und international Netzwerkarbeit übernehmen. Ein Beispiel dafür wäre das Bündnis Pro Choice Sachsen, der feministische Streik am 8. März oder auch die Initiative Sex Workers Solidarity, die wir 2017 mit angestoßen haben.
2. Warum organisiert ihr einen Block bei Unteilbar?
Wir organisieren den Block gemeinsam mit verschiedenen anderen Gruppen aus Dresden, die sich im Bereich queerer und feministischer Politik engagieren. Bei #unteilbar geht es ja darum, Menschen- und Grundrechte für alle zu erreichen, statt verschiedene diskriminierte Gruppen gegeinander auszuspielen. Das ist ein Kernpunkt feministischer Gesellschaftsanalysen, für den wir gerne mehr Aufmerksamkeit schaffen wollen.
Und nicht zuletzt ist klar, dass eine utopische Gesellschaft, wie wir sie uns vorstellen, nur durch gemeinsame soziale Bewegungen und nicht in bürgerlichen Parlamenten erkämpft werden kann.
3. Mit welchen Forderungen geht ihr am 24.8. auf die Straße?
Wir unterstützen den gemeinsamen feministischen Aufruf zur #unteilbar-Demo, den man auch auf unserer Website lesen kann.
Einige Punkte davon liegen uns natürlich besonders am Herzen:
Gerade in Hinblick auf die reaktionäre Familienpolitik rechter Parteien ist die Abschaffung der Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen bundesweit relevant und dringend angebracht. In Sachsen sagt die AfD in ihrem Wahlprogramm unverhohlen vielfältigen Lebensentwürfen jenseits der heterosexuellen Norm den Kampf an. Und die Werteunion in der CDU bietet sich als Steigbügelhalter für die Umsetzung autoritärer und antifeministischer Hetze an.
Bei aller Dramatik der Lage in Sachsen wollen wir auch auf die Wichtigkeit internationaler queerer und feministischer Solidarität hinweisen. Aktuell ist besonders das Leben von queeren Menschen in Brasilien durch Bolsonaros faschistische Regierung existenziell gefährdet. Und von der Türkei geht unter dem chauvinistischen Erdogan eine ständige und momentan sogar zunehmende Bedrohung für das emanzipatorische Projekt in Rojava aus.
Wir wollen mit vielen Menschen in unserem Block klar machen, dass wir bereit sind, gegen den rechten, antifeministischen Backlash anzugehen und auch den Kapitalismus nicht von unserer Kritik ausnehmen. Wir wollen beweisen, dass eine gemeinsame, entschlossene, feministische Bewegung möglich ist.
Und am Ende wollen wir natürlich auch aufzeigen: für die Verwirklichung dieser Forderungen braucht es radikale Veränderungen. Wir kämpfen gegen Ausbeutung und Unterdrückung und für eine befreite, solidarische Gesellschaft. Wir wollen das gute Leben für alle – weltweit und grenzenlos!
4. Mit welchen Befürchtungen verbindet ihr die Landtagswahl am 1. September?
Wir sehen, dass der eh schon sehr problematische Status Quo bereits im Wahlkampf verstärkt von rechts unter Beschuss genommen wird. Nach der Wahl bedeutet das bei einer rechten Mehrheit insbesondere für sogenannte Minderheiten noch mehr Diskriminierung – einerseits durch staatliche Repression, andererseits durch den parlamentarischen Rückenwind für den virulenten Alltagssexismus und -rassismus.
Und seien wir realistisch: anders als viele bürgerliche Linke und Liberale erwarten, wird das nicht nur passieren, wenn zu einer blau-schwarzen Regierung kommt. Unter jeder Regierug, an der AfD oder sächsische CDU in irgendeiner Form beteiligt sind, ist mit autoritären und reaktionären Angriffen auf die Vielfalt in der Gesellschaft zu rechnen.
Die Koalition der CDU mit der SPD hat bewiesen, dass in Sachsen gerne am rechten Rand gefischt wird. Wir müssen uns weiter auf offene Repression gegen linke Strukturen und eine Zunahme des antifeministischen Backlashs einstellen. Wir werden gegen eine zunehmende Kriminalisierung von Migrant_innen und Geflüchteten kämpfen müssen. Auch mit einer zunehmenden Enthemmung und Normalisierung der von den Behörden zumeist konsequenzlos geduldeteten rechten Gewalt muss gerechnet werden.
Immerhin auf eines ist in Sachsen Verlass: es bleibt wohl weiterhin die undankbare Aufgabe konsequenter Antifaschist_innen, nicht wie der MDR mit Nazis das Gespräch zu suchen, sondern sie daran zu hindern, das zu tun, was sie eben tun, wenn man sie nicht hindert.
Nachtrag: nach mehreren Absagen anderer Podiumsteilnehmer_innen hat der MDR schlussendlich eingelenkt und das Gespräch abgesagt. Einen stadtbekannten Chemnitzer Nazi einfach auszuladen (oder gar nicht erst anzufragen!) wäre wohl zu einfach gewesen…

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